Ich finde, „Bonfires“ ist einer der besten fünf Songs, die ich bisher geschrieben & veröffentlicht habe.
Eben habe ich ihn seit längerem mal wieder durchgehört, und immer, wenn ich ihn höre, stellt sich bei mir folgendes Gefühl ein: Dankbarkeit. Es mag esoterisch klingen, ist aber so.
Mit „Bonfires“ habe ich mich auf neues Terrain vorgewagt, weil ich mit dem Song gemeinsam mein erstes Buch veröffentlicht habe. Immer, wenn man mit etwas neuem „da raus muss“ (bzw eigentlich ja will…), fühlt sich das verunsichernd an. Jetzt soll ich auch noch öffentlich von mir selbst als ‚Autorin‘ sprechen. Für wie bescheuert werden mich die Leute angesichts dessen halten!?
Wer auch immer mich für bescheuert gehalten hat, hat taktvoll seine Klappe gehalten. 😉 Danke! Und ich bin mir selbst dankbar, dass ich den Mut zu diesem Schritt aufgebracht habe.
Bis heute habe ich aber dennoch nur sehr wenige Rückmeldungen zum Buch „Bonfires“ erhalten. Entweder wurde das Buch bisher nur auf Halde gekauft, sprich, steht im Bücherregal und wartet auf den perfekten Zeitpunkt, gelesen zu werden. Kein Vorwurf, ich mache das auch so. (Neulich habe ich endlich „Ethan Frome“ gelesen, welches seit sage und schreibe 20 Jahren in meinem Bücherregal darauf gewartet hat, endlich von mir gelesen zu werden. Ich fand das Buch hammermäßig. Vielleicht wäre mein Urteil anders ausgefallen, wenn ich es schon vor 17 Jahren gelesen hätte. Das nur so als Überlegung.)
Oder mein Buch wurde am Merchtisch gekauft um mich zu supporten, aber ohne tatsächliche Leseabsicht. Was ich mega finde! Support ist einfach toll, und ich kann total nachvollziehen, dass nicht jeder Deutsch-Native auf Englisch lesen mag.
Ich selbst habe die Erzählung „Bonfires“ weitestgehend mit mir selbst ausgemacht. Ich habe diese kleine Geschichte nach bestem Wissen & Gewissen aufgeschrieben. Meine erste Probeleserin, meine Schwester, hat Bonfires gern gelesen, und fand sie trotz einiger zu verbessender Punkte „wirklich gut“ und romantisch. Das war aufschlussreich für mich. Meine Lektorin hat die Geschichte ausschließlich für das genommen, was ich draus gemacht hatte, und sie entsprechend lektoriert. Ohne ihren eigenen Maßstab oder Geschmack anzulegen. Das fand ich sehr cool und hilfreich. Dennoch hätte mich im Nachhinein ihr persönliches Urteil natürlich doch interessiert.
Zwei weitere Probeleserinnen sagten mir, sie hätten die Geschichte „weggesuchtet“ bzw fänden sie „romantisch und gut geschrieben“. ChatGPT, welches ich – ich schwöre!, nie würde ich mir die Freude am Schreiben von KI wegnehmen lassen! – spaßeshalber um eine Zusammenfassung der Geschichte gefragt habe, stufte sie als „streckenweise gut geschrieben“ ein.
Ich kann das, was ich da niedergeschrieben habe, nicht einstufen. Ich habe als Autorin keinerlei Erfahrungshorizont um einschätzen zu können ob das, was ich geschrieben habe, „gut“, „schlecht“, „verständlich“, „trivial“, „unterhaltsam“ oder vielleicht gar „tiefgründig“ ist. Ich bin Anfängerin und werde mich über ein paar Jahre in diesem Feld erstmal kennenlernen müssen, bis ich ein einigermaßenes Gefühl für das, was ich hervorbringe, entwickelt habe. Gerade deswegen würde ich mir natürlich persönliche Feedbacks wünschen. Nun ja, vielleicht kommen ja noch ein paar, und wenn erst in zehn Jahren 😉
Anders bei Musik: seit über fünfzehn Jahren bin ich als Sängerin und Songwriterin aktiv. Die Jahre, in denen ich schwerpunktmässig intuitiv Songs geschrieben habe und mein objektives Gehör noch nicht entwickelt war, liegen hinter mir. In meinen Anfangsjahren hielt ich jeden Song, den ich zu Papier brachte, für einen potentiellen Hit 🙂 Einfach weil ich liebte was ich tat, weil ich darin aufging, weil es mir so viel bedeutete. Es fühlte sich so gut an, Songs zu schreiben, dass ich dieses gute Gefühl jedem Ergebnis überstülpte. Wenn jemand zu mir sagte „die vielen Silben im Text machen es schwer, die Melodie schnell nachzuvollziehen“ fühlte ich mich wie eine typisch missverstandene Künstlerin, die sich von weirden Feedbacks schikanieren lassen muss.
Heute wähle ich Songs für Aufnahmen und Konzerte kritisch aus. Subjektiv liebe ich alle meine Titel, aber sobald ich mich beim Hören um Objektivität bemühe, schaffen es nur noch einige meiner Werke in die engere Auswahl. Schon vom ersten Schwellenhüter möchte ich keine Rückmeldung erhalten, die die Worte „undeutlich“, „unverständlich“, „austauschbar“ enthält. Wer ist der/die erste Schwellenhüter*In? Der/die designierte Produzent*In. Diese/r hört ein Songdemo gleich nach diversen Gesichtspunkten ab, würde ich sagen, und ich habe in den letzten Jahren Spaß daran entwickelt, diese Gesichtspunkte im Vorfeld beim Hören meiner eigenen Demos auch bereits im Kopf zu haben.
Wichtig: beim Songwriting erfülle ich keine Auflagen. Das habe ich noch nie. Ich schreibe einfach drauf los. Mal wird’s was und mal nicht. Aber wenn ich meine eigenen Songdemos für Aufnahmen auswähle, dann schlüpfe ich in eine auswertende Rolle, sozusagen.
Dass „Bonfires“ von der Länge her eine besondere Rolle einnimmt, durch die vielen Strophen und Interludes zu Beginn des Songs nicht der Norm entspricht, hatte ich wohl gehört. Aber dennoch fand ich die „oohhh“-Hook, die leicht sphärische Melodie und Harmonik in diesem langen Anfangsteil charmant. Und so gefällig, dass ich nicht den Eindruck hatte, das Verstehen dieser Musik sei einigen wenigen sog. Musikkennern vorbehalten. Ich hatte beim Schreiben und Komponieren im Kopf, dass ich wieder einen Countrysong aufnehmen wollen würde, jedoch habe ich mich nicht limitiert. Sollten sich andere Genres dazu gesellen, gern! Und das taten sie ja auch; für mich ist in dem Song ebenfalls good old Singer-Songwriter, und nicht zuletzt auch ein bisschen Pop enthalten.
Am zweiten Teil, an old flame never dies, habe ich mir ein bisschen einen abgebrochen – die ersten drei Varianten, die ich geschrieben habe, haben mir jeweils nicht gefallen. Aber mit der finalen Version war ich happy.
Strophe 1, Strophe 2, Bridge 1, Interlude, Strophe 3, Bridge 2, Refrain 1, Solo 1, Strophe 4, Bridge 3, Refrain 2, Solo 2, Solo 3. So lautet die Bonfires-Formel (Anm.: ich lache gerade 😀 ), und unterscheidet sich damit vom Standard: Strophe-Refrain-Strophe-Refrain-Bridge-2xRefrain.
Dennoch fand ich, dass ich als Songwriterin, die inzwischen eine gewisse Erfahrung mitbringt, ein höheres Maß an Komplexität gehandelt bekommen habe. Und irgendwie hatte das ganze trotz der vielen Teile Flow.
Im Mai 2022, also 2 1/2 Jahre bevor ich „Bonfires“ schlussendlich rausgebracht habe, habe ich Stefan Rebelski, Eike Ernst und Nils Tuxen gefragt ob sie bereit wären, „Bonfires“ ein bisschen zu proben / durchzuspielen. Damit ich hören kann, ob er grundsätzlich und auch im Countrygenre funktioniert. Und schon wieder hatte ich Grund zum Dankbarsein, denn diese drei mega Musiker haben der Probe zugestimmt. Im Vorfeld hatte Stefan eine wunderschöne Klavierspur für den Song eingespielt und rumgeschickt. In dieser hatte er die Begleitakkorde zum Besseren verändert. Seine Changes waren die Grundlage für die weitere Arbeit am Song. Und sein bezauberndes Klavierdemo blieb in weiten Teilen als „Bonfires (acoustic)“ erhalten. Mit Klavier (Stefan), E-Gitarre (Eike) und Pedal Steel (Nils) spielten wir also den Song. Ich war gerade mit den Veröffentlichungen meiner „Pop-Singles“ (We’ll Make It, Black Velvet & Co.) durch und fühlte mich, als ich mit den dreien musizierte, als würde ich musikalisch gesehen wieder nach Hause kommen. 🙂
Diverse Gründe führten dazu dass ich über ein Jahr brauchte, um mich zu der Entscheidung, „Bonfires“ aufzunehmen, durchzuringen. Soll ich das Geld investieren? Soll ich wirklich diese Geschichte aufschreiben und ein Buch veröffentlichen? Solche und ähnliche Fragen haben es mir nicht leicht gemacht.
Als die Entscheidung gefallen war war klar, dass das Personal der Songprouduktion genau die drei Leute aus der Songprobe umfassen würde: Stefan drängte sich als „Chef“, als Produzent auf, da er durch das Klavierdemo dem Song eine Richtung gegeben hatte. Und von dem Arrangement, welches Stefan letztendlich für „Bonfires“ kreiert hat, könnte ich begeisterter nicht sein. Ich finde vor allem so krass, dass beide Versionen, also die Band-Version und die Piano-Version, von der Stimmung her so gut zur Erzählung passen. Ich hatte mein iPad im Studio dabei, und habe ein bisschen geschrieben, wenn Stefan gerade mit irgendeiner Bastelei beschäftigt war. Die Zwischenstände und Roughmixe, die er mir geschickt hat, habe ich gehört um mich in die Storyline zu versenken, wenn ich zu Hause geschrieben habe. Die Musik zu „Bonfires“ war immer hilfreich, um an der Erzählung zu arbeiten. Das ist kein Selbstlob, sondern einfach Freude darüber, wie sehr Stefans Arrangement für mich ins Schwarze trifft.
Den ersten Roughmix mit Eikes Gitarrensolo habe ich allein zu Hause auf dem Sofa gehört. Mir flog die Kinnlade runter und ich habe Herzklopfen bekommen. War sowas krasses wirklich auf einem Song von mir verewigt!?
Und dann die Recordingsession mit Nils Tuxen an seiner Pedal Steel… Ich bin mit Nils ins Soundhafen Studio gefahren, ziemlich genau zehn Jahre nachdem wir im selben Studio die Aufnahmen für mein Album „Almost Golden“ gemacht haben. Schon das war für mich ein nostalgischer Moment, besonders wenn ich dann noch bedenke, dass das Soundhafen Studio kurz vor dem Abriss stand – inzwischen gibt es das Studio nicht mehr. Dazu kommt: Nils Tuxen setzt sich altersbedingt langsam zur Ruhe. Rückblickend war dies also meine letzte Recordingsession mit diesem Ausnahmemusiker, der jeder musikalischen Situation mit Sensibilität und Geschmack begegnet, sich nie in den Vordergrund spielt – obwohl er allen Grund dazu hätte. In der Aufnahmesession für „Bonfires“ durfte ich Nils nochmal erleben, wie er zunächst in Echtzeit ein Sheet für „Bonfires“ geschrieben hat, also die Akkorde schnell rausgehört hat (das Sheet von Mai `22 stimmte irgendwie doch nicht mehr 😉 ). Dann hat Stefan mit Nils zunächst Fills / Verzierungen für den Teil des Songs, über den ich singe, aufgenommen. Und dann galt es ein Solo von Nils für das Ende des Titels einzufangen. In meiner Erinnerung hat Nils drei Takes eingespielt und es war schnell klar, welches der Magic Take war. Als wir diesen nochmal durchgehört haben, kamen mir die Tränen. Die Musik war so schön, aber es war insgesamt auch eine Art full circle moment. Ich hatte wieder auf mein künstlerisches Bedürfnis gehört, statt – wie auf den vorangegangenen Singles – „marktkompatibel“ sein zu wollen. Als ich 2013/2014 Almost Golden aufgenommen hatte war das Genre Country noch weitestgehend ein Versuch – ob diese Musik wirklich mein Ding sein würde wusste ich da noch nicht. 2024, bei den Aufnahmen zu „Bonfires“, wusste ich es dann.
Witzigerweise liegen in der Nostalgie und der Wehmut, welche für mich persönlich in der Produktion von „Bonfires“ mitgeschwungen haben, eine Parallele zum Buch: In der Erzählung spielen Nostalgie und Wehmut für die Hauptfigur Jenna eine zentrale Rolle. Während sie wehmütig ist wegen der vielen Jahre, die sie ohne ihre vermeintlich große Liebe verbracht hat, war ich es wegen der Zeit die ich in Musik gesteckt habe, die mir kein wirkliches künstlerisches Anliegen war.
Für mich ist der Gesangsteil des Songs eigentlich nur der kleine Teil der Erzählung, in welchem Jenna in ihrem Auto sitzt und in ihre Heimatstadt fährt. Sie denkt und fühlt dieses und jenes, und das ist im wesentlichen der Songtext. Der Schlussteil mit den zwei Soli von Eike und Nils ist für mich wie eine Ouvertüre in die weiteren Geschehnisse und Empfindungen der Erzählung. Erzählung und Song enden – nach einigen Ups and Downs – wieder genau da, wo alles angefangen hat. Mit Jenna in ihrem Auto. Bzw. mit der „ohhh“-Hook des Liedes. Nun gut, jetzt habe ich ein bisschen gespoilert. Aber manchmal triggert ein kleiner Spoiler einen ja auch, mehr zum Thema rausfinden zu wollen.
„Bonfires“ ist für mich also einer der fünf besten Songs, die ich bisher geschrieben & veröffentlicht habe. Und welche sind die anderen vier, die diese „Top 5 by me“ abrunden?
Easy:
„Lioness“ von meinem 2015er Album „Almost Golden“
„Trail“, der Titeltrack von meiner anstehenden EP „Trail“ (wait and see)
„Suppose I“ (Single, 2021)
„Scorpion“ von meiner 2012er EP „Transition“