„Das musst du mit deutschen Texten machen.“
„Auf deutsch wär’ das richtig gut.“
„Schreib doch mal was deutsches.“ (Mach ich ja gerade!)
Hm. In meinen Anfangsjahren als Singer-Songwriter habe ich mir viele solcher Kommentare / Tipps / „Verbesserungsvorschläge“ von sog. Entscheidungsträgern in der Musikbranche angehört. Ständig wurde es mir so dargestellt, als würden deutschsprachige Hörer nur mit deutschsprachiger Musik etwas anfangen können. Wieso läuft dann so viel englischsprachige Musik im Radio? dachte ich. An der scheint sich doch keiner zu stören. Im Gegenteil.
Englische Songtexte zu schreiben war für mich immer ein no brainer gewesen, ein given, etwas, dass ich intuitiv tat ohne mich bewusst dafür oder dagegen zu entscheiden. Das kam erst später. (Und jetzt ziehe ich es durch, vielleicht als letztes Überbleibsel adoleszenter Rebellion, if I wanna write in fu**** English I’ll write in fu**** English.)
Ich erinnere mich noch sehr genau dass ich elf Jahre alt war als ich das erste Lied verfasste, welches ein Popsong sein sollte. Bis dato hatte ich eher kinderliederartige Melodien auf der Blockflöte „komponiert“. Für mein Popsongdebüt nahm ich mir ein Deutsch-Englisches Wörterbuch zu Hilfe, denn es war für mich glasklar dass der Text englisch sein würde. Ich kannte zwar aus dem Fernsehen auch Nicki oder Matthias Reim – auf der Frequenz, auf der Künstler dieser Couleur sendeten war ich aber offenbar nicht auf Empfang eingestellt. The heart wants what it wants.
Schon diesen ersten Songtext schrieb ich weitestgehend intuitiv. Dh, ich nahm die Worte die ich eh schon kannte, z.B. aus Whitney Houston-Songs oder meinem Comic-Buch „Meine ersten Wörter und Sätze Englisch (mit Kassette)“, durch das ich mich autodidaktisch durchgearbeitet hatte. (Und das ich übrigens eben gerade gebraucht bestellt habe um mich zu erinnern an jene Lektüre, die mir den Einstieg in die Sprache ermöglicht hat, die ich in manchen Situationen mehr liebe und besser gebrauchen kann als meine Muttersprache (true story).)
Schon meinen ersten englischen Songtext schrieb ich also aus dem Bauch heraus, das Wörterbuch war nur dazu da, auftretende Lücken zu füllen. Ob der Text so viel Sinn ergeben hat, oder auf irgendeine Weise als „gut“ einzustufen war – das wage ich zu bezweifeln. Das Wesentliche an dieser Erfahrung war, dass ich gleich von vornherein auf Englisch komponiert habe – und nicht etwa etwas auf Deutsch vorformulierte, was ich im zweiten Schritt dann übersetzt habe.
Schon bald brauchte ich eh kein Wörterbuch mehr, da ich übermässiges Interesse an und Leidenschaft für Englisch entwickelte, und bereits als jüngere Teenagerin in meiner Freizeit Englisches las und BBC schaute. Letzteres war inhaltlich langweilig für mich, aber ich wollte einfach ein bisschen Englisch hören. Mein erster Versuch „Macbeth“ zu lesen gelang zwar nicht, aber zwei Jahre später, in der High School in Minnesota, kam ich mit dem Text gut klar, so dass ich im Englisch Leistungskurs in der 13. Klasse, als ich ein weiteres Mal mit „Macbeth“ konfrontiert wurde, bereits einige Passagen auswendig runterrattern und nicht mehr nachvollziehen konnte, dass Shakespeare-Englisch im ersten Anlauf durchaus schwer zu verstehen sein kann.
Ich habe meine Englischkenntnisse nie als etwas Bermerkenswertes angesehen. In meiner Schule konnte man sich nur in naturwissenschaftlichen Fächern einen Namen machen (ich erinnere dass ein paar Leute für ihre naturwissenschaftlichen Leistungen mit irgendeinem Wisch oder Orden ausgezeichnet wurden). Im geisteswissenschaftlichen (oder auch künstlerisch-musischen) Bereich gab es sowas nicht. Ich hoffe, dass sich das inzwischen geändert hat. Aber dran gestoßen habe ich mich damals auch nicht wirklich. Das mit dem Englisch, das war ja mein Ding, das tat ich für mich – die Motivation war nie gewesen, Englischkenntnisse für eine gute Schulnote zu erlangen.
Als ich also mit zwanzig so richtig mit dem Songwriting startete, kam aufgrund meiner sprachlichen Neigung, meines Musikgeschmacks, meiner favorisierten Genres und meiner musikalischen Role Models gar nichts anderes infrage, als Englische Songtexte zu verfassen.
Die Nachfragen und Kommentare zum Thema (s. erster Absatz) haben mich überhaupt erst darauf gebracht, dass ich es auch hätte anders machen können.
Klar wusste ich dass es deutschsprachige Popmusik gibt, ich hatte und hab’ ja Ohren. Und einige wenige Künstler oder Titel mochte ich auch. Grönemeyer. Fanta4. Aber das meiste an deutscher Popmusik wasn’t for me.
Initial habe ich das Zeigen auf meine Englischen Texte, und den damit einhergehenden Hinweis auf die Fehlentscheidung bei der Wahl der Sprache, immer falsch verstanden. Ich habe das als persönliche Absage gegen mich genommen, denn Englisch war und ist ein Teil von mir.
Es hat einige Zeit gebraucht bis ich verstand, dass die Feedbacks dieser Entscheidungsträger auf der Annahme fußten, dass englische Songtexte Strategie A waren und deutsche Texte Strategie B. Also, marketingtechnisch. Und ich musste wiederum verstehen, dass ich meine Texte nicht aus strategischen Gründen auf Englisch schrieb.
Es gab bestimmt Zeiten, früher, als Teenagerin, als ich die Englische Sprache mit mehr weiter Welt, mit mehr Excitement, mit etwas assoziierte das ich gern sein wollte aber nicht war. Aber als Songwriterin in meinen Zwanzigern war ich in der Hinsicht viele Schritte weiter. Ich hatte durch meine Beschäftigung mit Englisch die Sprache, und durch USA-Aufenthalte auch die dortige Kultur erlebt und zu gewissen Anteilen „absorbiert“, so dass ich als aspirierende Singer-Songwriterin definitiv nicht auf Englisch schrieb, um cool zu rüberzukommen. Wenn man mit zwölf die ersten Anglizismen bedient, dann tut man das aus Coolness/Image-Gründen. Aber das Stadium hatte ich mit 25 lange hinter mir, honestly.
Englisch war einfach zu der Sprache geworden, in der ich mich am besten poetisch ausdrücken konnte. Die ich künstlerisch besser füllen konnte als Deutsch. Punktum. Keine Strategie, keine Coolness – oder auch Abgehobenheit. Die wird einem ja durchaus auch unterstellt, wenn man in einer Sprache schreibt, die für das eigene Umfeld eine Fremdsprache ist.
Die Zeit, in der ich von strategisch denkenden Musikbranchenmenschen für meine englischen Songtexte kritisiert wurde liegt inzwischen einige Jahre zurück. Und mein eigener Gedankenprozess zum Thema ist auch schon ziemlicher Schnee von gestern. Irgendwann habe ich für mich festgestellt Ich werd’ das vermutlich eh nie anders machen und damit habe ich das Ganze für mich abgehakt.
Aber nun kam es letztes Jahr dann ja doch etwas dicker: ich habe meine Kurzgeschichte „Bonfires“ und auch einige Blogartikel auf Englisch veröffentlicht. Nicht nur 24 kurze Songtextzeilen, nein, 18.500 Wörter „Bonfires“ und Blogposts à 1000 Wörtern – das ist anderer Tobak als ein kurzer und knapper Songtext, der ja auch auf musikalischer Ebene transportiert wird, sprich, man gar nicht unbedingt den Text verstehen muss um etwas aus dem Song ziehen zu können. Das kann man ja nunmal auch aus dem reinen Musikanteil.
Aber Kurzgeschichte, Blogpost… Außer Text nichts. Nur Worte, Formulierungen, Sätze. Vokabeln, bekannte, unbekannte.
Warum ich die Formate auf Englisch geschrieben habe wisst ihr ja nun. Kann ich künstlerisch besser füllen. Wenn ich künstlerisch werde, werde ich Englisch. „Bonfires“ habe ich von Wort eins an auf Englisch gedacht und gefühlt… es gab für mich künstlerisch gesehen keinen Anlass, das ganze auf Deutsch zu schreiben. So einfach war das.
Dennoch wurde mir mit der VÖ insbesondere von „Bonfires“ klar, dass ich nun einige potentielle Leser*Innen von vornherein ausschließe. Ich finde es absolut nachvollziehbar, dass man am liebsten vertraute Sprachen liest. Ich würde jetzt auch eher nicht zu einem französischen Buch greifen… ich habe zwar gewisse Kenntnisse, aber die reichen nicht um wirklich flüssig und in einem akzeptablen Tempo lesen und verstehen zu können.
Basierend auf dem Wunsch, von potentiell all meinen Landsfrauen und -männern verstanden werden zu können, kam in mir der Gedanke auf: kann ich eigentlich auch auf Deutsch meinen künstlerischen Kanal anzapfen? Und zwar in diesem Feld, in Prosatexten, oder eben so non-fiction Blogposts. (Welcher deutscher Begriff entspricht eigentlich non-fiction?)
Und so habe ich also parallel zur Entstehung von „Bonfires“ angefangen, Storyideen auf Deutsch auszuformulieren. Als ersten Stoff nach „Bonfires“ habe ich mir dazu witzigerweise eine Geschichte ausgesucht, in der die Hauptfigur in Deutschland wohnt, sie es allerdings mit ein paar Briten zu tun bekommt, die auch mal einen Kommentar auf Englisch abgeben dürfen. Das ist bestimmt kein Zufall, sondern eine comfort zone-ige Möglichkeit für mich, den Sprachwechsel mit ein paar von vornherein einkalkulierten Rückfällen durchmachen zu dürfen. 🙂 Lustigerweise übersetze ich jetzt manchmal von Englisch nach Deutsch. Gerade Dialoge zwischen Charakteren kann ich, wenn ich sie auf Englisch denke, besser greifen; worum es in der Unterhaltung geht und welchen Redestil eine bestimmte Figur hat. Ich höre das im Kopf erst einmal auf Englisch durch, und versuche es dann auf Deutsch abzubilden. Für besagte Geschichte habe ich inzwischen knappe 20.000 Worte festgehalten; sie wird wohl ein Tickchen länger als „Bonfires“… Aber ich hoffe sehr, sie euch nicht erst in allzuweit entfernter Zukunft präsentieren zu können.
Und dieser Blogpost ist dann wohl mein erster deutschsprachiger Blogpost. Es ist ja nicht so, dass ich nun noch nie etwas auf Deutsch geschrieben hätte. Tatsächlich aber fast nur Pressetexte, entweder über andere Leute / Ereignisse oder, wenn über mich selbst, dann in der dritten Person. Es ist tatsächlich ein Unterschied, ich oder sie zu schreiben und sich selbst zu meinen. Zu letzterem kann man viel einfacher in Distanz gehen.
Bleibt noch die Frage: werde ich je einen deutschen Songtext schreiben? Hell no! Denn meine Chefin, die Sängerin Nora Sänger, singt einfach überhaupt nicht gern auf Deutsch. And as she’s said before, the rebellious teen inside of her won’t allow it 🙂